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Hobby - Test: Kreidler - Rennsatz
Rennfrisur frei Haus

 
Hobby Test Rennsatz
Für das Jahr 1969 hat die FIM (Föderation Internationale Motocycliste) längst fällige einschränkende Bestimmungen für die Klasse der Rennmotorräder bis 50 ccm erlassen. Diese Reglementsänderungen der obersten Motorradsport-Organisation sehen vor, daß in dieser Klasse nur noch Maschinen mit nicht mehr als sechs Gängen, Einzylindermotoren und mindestens 60 kg Fahrzeuggewicht an den Start gehen dürfen. Dadurch werden für Werks- wie für Privatfahrer weitgehend gleiche Bedingungen geschaffen, die jungen Talenten mit geringen finanziellen Möglichkeiten Aussichten auf gute Placierungen eröffnen.

Ein wesentlicher Impuls für die nun wieder erfolgversprechende Nachwuchsförderung kommt von der Firma Kreidler, durch ansehnliche Geldpreise für erfolgreiche Kreidler - Rennfahrer einerseits, zum anderen aber, indem sie Besitzern einer Kreidler-Florett RS (Preis 1408 DM) für sage und schreibe 299,70 DM einen Umbausatz in die Hand gibt, der aus diesem Serienerzeugnis ein ernstzunehmendes Rennmotorrad macht. Mit Hilfe dieser Bauanleitung kann jeder einigermaßen versierte Motortüftler alle Arbeiten selbst durchführen. Aus der Serienmaschine, die bei 7500 U/min 5,3 PS leistet und etwa 80 km/h läuft, wird eine12.500 bis 13.000 U/min drehende, 9,5 bis 10 PS abgebende Rennmaschine, deren Spitzengeschwindigkeit bei 120 bis 130 km/h liegt. Gesagt werden muß noch, daß der Bausatz nur an Besitzer einer Lizenz oder eines Fahrausweises der FIM oder OMK (Oberste Motorradsportkommission) abgegeben werden kann und daß die so hergerichtete Maschine nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen ist.

Rennsatz
Bild 1: Florett Rennsatz
Der Bausatz enthält folgende Teile: Zylinder mit Fußdichtung, Zylinderkopf, einen geschmiedeten Kolben mit Ringen, einen Dell'Orto - Rennvergaser 25 SS D mit getrennter Schwimmerkammer und Spezialaufhängung, Vergaserstutzen mit Dichtung, Auspuffrohr, Auspuffbirne, Gaszug, Lufthebel mit Seilzug, 370er Rennkerze, Kettenritzel mit 14 Zähnen, diverse Kleinteile wie Düsen, Klemmen, Dichtungen, Schrauben usw. (Bild 1 ).
Nun zu den Umrüstungsarbeiten: Luftfilter und Ansauggeräuschdämpfer, Vergaser, Zylinder, Zylinderdeckel, Kolben und Auspuffanlage der normalen RS werden entfernt. Aus der Zündanlage können die Spulen für Scheinwerfer, Rücklicht und Signal ausgebaut werden (Bild 2, Nr. 1, 2 und 3), Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel und Pleuellager sowie Kolbenbolzen-Nadellager werden weiterverwendet (Bild 3). Sie sind zum Teil die gleichen wie in den Original - Rennmotoren und deshalb durchaus für den Rennbetrieb geeignet. Auch am Fünfganggetriebe wird nichts geändert.
Wenn der RS-Motor noch nicht lange gelaufen ist, muß er vor dem Umbau nicht einmal in alle Teile zerlegt werden. Dann genügt es, vorher das Pleuel auszuwinkeln und zu versuchen, ob der neue Kolbenbolzen leicht und ohne Spiel in das vorhandene Nadellager paßt, wenn dieses im Pleuellager eingeschoben ist (Bild 4). Der neue Kolben wird sorgfältig mit seinem Kolbenbolzen montiert, wobei die Bolzensicherungen behutsam in die Nuten eingesetzt werden müssen (Bild 5). Der im Kolbenboden eingeritzte Pfeil weist nach unten in Richtung des Auslaßschlitzes des Zylinders. Die Kolbenringe - oben ein L-Ring, unten ein Rechteckring - sind bereits am Kolben vorhanden.
Als nächstes setzen wir die neue Zylinderfußdichtung auf und schieben den Rennzylinder samt montiertem Ansaugstutzen über die Stehbolzen. Der Kolben sieht im oberen Totpunkt und soll gegen das Kurbelgehäuse mit einer Holzgabel oder ähnlichem abgestützt werden. Beim Überstreifen des Zylinders über den Kolben drücken wir mit zwei Fingern die Kolbenringe fest zusammen, so daß sie sauber in ihren Nuten liegen und der Zylinder leicht darüber hinweggleitet (Bild 6).
Auf keinen Fall dürfen die Ringe in dem großen Einlaßschlitz festhaken. Keine Gewaltanwendung! Danach ziehen wir die Holzstützgabel unter dem Kolben heraus und schieben den Zylinder vollständig auf das Kurbelgehäuse. Der Zylinderkopf wird so aufgesetzt, daß die Zündkerze oberhalb der Zylinderachse liegt (Bild 7). Die Muttern der Stehbolzen werden aufgeschraubt und die in Fahrtrichtung rechts liegenden zuerst angezogen. Alle Muttern anschließend nochmals über Kreuz mäßig nachziehen, jedoch höchstens mit 1,5 kpm Drehmoment. 
Die Auspuffanlage, ein Hauptteil des Rennsatzes, wird anschließend montiert. Danach kommt der Vergaser. Zunächst wird die Halterung für die Schwimmerkammer montiert und diese daran mit Hilfe eines Kunststoffschlauches aufgehängt (Bild 8). Der Vergaser wird auf Anschlag über den Ansaugstutzen geschoben und festgeschraubt (Bild 9). Der senkrechte Abstand zwischen der Dichtfläche der Schwimmerkammer und der Querbohrung für die Zusatzluft am Schiebergehäuse des Vergasers muß 35 mm betragen (Bild 10).
Das im Serienmotor befindliche Getriebeöl wird nun bei warmem Motor abgelassen und durch 1 /3 Liter Castrol R 20 ersetzt. Weiter werden der Lufthebel angebracht und die Seilzüge für Gasschieber und Zusatzluftschieber verlegt.

Das Schwungrad mit Magneten, das wir zur Entfernung der drei Spulen vorher abgezogen hatten, wird wieder montiert, Wir drehen es so, daß der Kolben auf dem oberen Totpunkt sieht (OT). Die entsprechende Markierung muß genau gegen über der vorderen Kerbe des Gehäuses liegen (Bild 11 ). Der richtige Zündzeitpunkt ist dann 23,5 mm vor dies Markierung (Bild 1 2). Bei Gradeinteilung sind das 23" vor OT, bei Einstellung mit der Meßuhr am Kolbenboden sind es 1,9 mm vor OT (die Langlöcher der Zündergrundplatte etwas nachfeilen, wenn die Verstellmöglichkeit nicht ausreicht!).

Jetzt kann der Vergaser eingestellt werden. Die Grundeinstellung (Hauptdüse 115, Leerlaufdüse 60, Düsennadel in der dritten Kerbe von oben, Bild 13) ist vom Werk festgelegt. Bei warmgelaufenem Motor wird zunächst der Leerlauf eingestellt, der bei einem Rennmotor eine verhältnismäßig hohe Drehzahl erfordert. Diese verändert man durch Drehen an der Schieberanschlagschraube und an der Luftregulierschraube (Bild 14). Letztere sollte eine viertel bis eine halbe Umdrehung aufgedreht werden. Die Einstellung ist erst dann korrekt wenn der Motor beim Gasaufziehen "lochfrei" hochdreht.

Stellt sich ein dunkles Kerzenbild ein, das Gemisch zu fett. Dann ist die nächst kleinere Hauptdüse erforderlich (Bild 15). Bei zu heller Färbung der Kerze oder bei grauem und trockenem Kolbenboden ist die Einstellung zu mager. Folglich wird dann eine größere Hauptdüse benötigt. Bei dieser Grobabstimmung sollte der Zusatzluftschieber geschlossen sein. Durch vorsichtiges Öffnen des Zusatzluftschiebers wird die Vergasereinstellung magerer. Während der Fahrt kann damit durch vorsichtiges Regulieren die optimale Motorleistung erreicht werden.

Um die Maschine für Rennen noch etwas abzumagern, müssen alle überflüssigen Teile, wie Schutzbleche, Scheinwerfer, Kippständer, Soziusfußrasten u.ä., abgenommen werden. Außerdem empfiehlt sich, Rennreifen (z.B. Conti 2,00 - 19) auf Alu-Felgen 23 - 2,25 aufzuziehen. An der Rennstrecke kommt jetzt noch neben der Feinregulierung des Vergasers die Abstimmung der Übersetzung dazu. Diese richtet sich nach Größe, Gewicht und Gestalt des Fahrers sowie nach dem Streckencharakter. Hierbei hilft das der Bauanleitung mitgegebene Gangdiagramm (Bild 16).

Der Ausgangspunkt in diesem Diagramm ist die Leistungskurve (rechts oben). Wir wählen den Punkt A (9,5 PS bei 12 800 U/min) für unsere Berechnung. Zunächst suchen wir parallel zur Horizontalen den für uns passenden Punkt im Diagramm für den Luftwiderstand. Da wir einen kleinen Fahrer (unter 1,70 m) auf einer Maschine ohne Verkleidung annehmen wollen (Verkleidungen sind bei Rennen für Ausweisfahrer verboten), finden wir senkrecht nach unten die zu erwartende Höchstgeschwindigkeit von 123,5 km/h. Da wir das serienmäßige Getriebe der Kreidler-Florett haben, finden wir rechts unten im Getriebeschaubild den Schnittpunkt der Senkrechten von Punkt A auf der Linie des 5. Ganges. Von dort gehen wir waagerecht nach links zum Diagramm der Übersetzungen auf das Hinterrad. Dort, wo sich die Senkrechte aus dem Diagramm für den Luftwiderstand mit der Waagerechten vom Getriebeschaubild schneidet, finden wir den Punkt für die richtige Übersetzung.

Unser Beispiel zeigt 13 Zähne am Getriebeausgang und 35 Zähne am Hinterradzahnkranz. Diese Angabe gilt für die Ebene. Für bergige und kurvenreiche Strecken wird man mehr als 35 Zähne wählen müssen - je nach Strecke bis zu 44.

So, das wär's! Als geschickter Motortüftler können Sie für den Umbau mit etwa zwei Stunden rechnen. Wenn Sie mit der Rennmaschine den ersten Einsatz hinter sich gebracht haben, werden Sie ganz bestimmt weitere wertvolle Erfahrungen gesammelt haben.

Erstellt: 09.02.2002
Stand: 09.02.2002
Bilder : Hobby, Kreidler - Presse / Archiv
Text: © Copyright 2002 ff. : Frank Stegemann