Unsere Museums - Dauertestfahrzeuge:
Kreidler Florett TM (1975) und Kreidler Florett LF-F (1979)
|
Die Frage, ob man eine Kreidler Florett auch heute
noch im Alltagsbetrieb bewegen kann, und welche Probleme dabei auftauchen,
bewegt mich schon lange. Daraus ergab sich die Idee, einmal selbst einen
Dauertest durchzuführen ! Jeden Tag - oder zumindestens fast jeden
Tag - mit einer Kreidler Florett zur Arbeit oder zur Schule fahren. Die
innerstädtischen Parkplatzprobleme mit einer Florett umgehen, und
sich dafür eben nicht so einen neumodischen, abwaschbaren Plastikroller
zuzulegen. Früher, mit 16, musste die Kreidler ja auch jeden Tag zur
Schule halten. AbWürde sie es auch heute noch tun ???
Zuerst einmal musste ein passendes Fahrzeug gefunden
werden. Dabei legte ich mehr Wert auf solide zuverlässige Technik
als auf neuen Chromglanz. Auch die Kreidler sollte einfach in der Pflege
sein, und vor allem bezahlbar bleiben. Nach einer Regentour will ich nicht
jedesmal mit Argusaugen auf Chrom und Lack gucken müssen, ich will
die Maschine auch nicht mit Samthandschuhen anfassen, sondern einfach nur
fahren, fahren, fahren. Mit einer toprestaurierten Florett im Zustand 1
war mir also nicht gedient. Also wurden die Augen aufgemacht und etwas
passendes gesucht:
In Frühjahr 2001 wurde bei ebay eine Florett LF
aus zweiter Hand mit relativ geringer Kilometerleistung angeboten. Die
Maschine hatte einige Mängel, war aber komplett und absolut original.
Ich konnte sie für 235 DM ersteigern. Leider stand sie nicht grad
um die Ecke, sondern im Rheintal bei der Loreley, wo sie von einem älteren
Herren auf dem Weg zur Arbeit genutzt wurde. Aber auch dieses Problem ließ
sich lösen: Die Florett passt genau ins Audi Coupé, sozusagen
als Beifahrer, wenn man vom Audi den Sitz und die Rückbank zuhause
lässt. Zuhause angekommen, wurde die LF erstmal gründlich inspiziert.
Diverse Roststellen mussten ausgeschliffen und lackiert werden, die Felgen
hab ich mit Flex und Drahtbürste entrostet und anschliessend auch
lackiert. Der Motor wollte aufgrund eines Getriebeschadens zerlegt werden,
die Schaltstifte waren verschlissen, das Polrad verzogen, und bei der Gelegenheit
habe ich gleich alle Dichtungen und Simmerringe ausgetauscht. Kettensatz,
Reifen, Schläuche und ein paar Kleinteile kamen neu, ein Versicherungsschild
wurde geholt und auf gings. Insgesamt blieben die Investitionen mit Versicherung
unter 500 DM. Und schon am nächsten Tag kam die erste Bewährungsprobe:
eine Orientierunsfahrt von den Hamburger Kreidler - Freunden. |
|
Am Anfang Mai war die LF dann im Dauereinsatz. Jeden
Werktag 32 km zur Schule, das Wetter war meistens einigermaßen und
wesentlich Mängel traten eigentlich nicht auf. Ich sage "eigentlich"
weil doch schon bald klar war, das mir die LF auf Dauer zu langsam ist.
Mal ist das ja ganz witzig, mit 40 km/h durch die Gegend zu tuckern, aber
jeden Tag ??? Also habe ich erstmal Feintuning betrieben: dabei stellte
sich heraus, das die LF von Werk hoffnungslos überfettet eingestellt
ist, Umstellung von der 82 Hauptdüse auf eine 76er brachte schon einige
Besserung. Ausserdem habe ich die Übersetzung so geändert, das
sich rechnerisch eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ergibt. Aber
dann macht der Motor auch gnadenlos dicht (und man wird von den neuen Plastikrollern
dauernd überholt *g*). Ich habe dann noch mit anderen Zylindern experimentiert,
kurzzeitig auf Gebläsekühlung umgestellt, aber insgesamt stand
mein Entschluss schon fest: eine schnelle 50er musste her !
Doch welches Fahrzeug sollte ich nehmen ? Mir ging
es dabei weniger um die absolute Höchstgeschwindigkeit als um die
Zuverlässigkeit. Die gebläsegekühlten Kreidler Motoren haben
den Ruf, fast unverwüstlich zu sein, während die schnellen Luftgekühlten
ab und zu mal Motorschäden bekommen. So stand bald fest, das es ein
Tourenmodell werden sollte: eben eine Florett TM ! |
|
Im Mai hatte ich dann die Gelegenheit, eine Schweizer
Florett TM als Teilesatz zu erwerben. Im Wesentlichen fehlten Zylinder
und Kolben, Vergaser und ein paar Kleinteile. Das war jedeoch kein Problem,
da ich diese Teile noch im Regal liegen hatte. Die Schweizer Papiere waren
auch noch vorhanden. Also wurde der Kauf perfekt gemacht und wiedereinmal
eine Kreidler im Audi verstaut und nach Hause gebracht. Der erste Weg führte
mich dann zum heimatlichen Zoll, da bekam ich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung
für die Zulassung. Da der Wert des Kreidler - Bausatzes unter 350
DM geschätzt wurde, fiel kein Zoll an. Nun konnte ich die Maschine
zusammenbauen und komplettieren. Bis auf die Schläuche und die Glühlampen
habe ich kein Teil neu kaufen müssen, alles andere, inklusive einem
Satz guter Reifen, hatte ich im Regal liegen. Genau wie bei der LF mussten
einige Roststellen weggemacht und die Felgen lackiert werden. Die ganze
Aktion war in ein paar Nachmittagen erledigt, danach gings zum TÜV
und zur Zulassung. Beides war ebenfalls unproblematisch. |
Das erste Wochenende wurde mit diversen Probefahrten
verbracht. Dabei lief der Motor zuerst sehr mager. Die 70er Hauptdüse
war wohl doch etwas zu knapp. Mit einer 75er Hauptdüse überfettete
der Motor aber deutlich. Zum Schluss nahm ich eine 72er Düse, und
damit läuft sie ganz gut. Schon hier zeigte sich, wie empfindlich
die kleinen hochdrehenden Motoren auf nur kleine Änderungen reagieren.
Die zweite Sache, die zu Anfang nicht hinhaute, war die Übersetzung.
Im Regal hatte ich nur neue 14:36 liegen, und diese Übersetzung war
eindeutig zu lang. Ich kam oft nicht aus dem 4. Gang ´raus, ausser
bei Rückenwind, und am "Berg", bzw. an den leichten schleswig - holsteinischen
Steigungen ging die Maschine doch mächtig in die Knie. So habe ich
nach einigen Fahrten doch die originale Übersetzung gekauft, und bei
der Gelegenheit auch noch den vorderen Bremszug, die Hauptdüse und
ein paar andere Kleinigkeiten erneuert. |
|
|
Nebenbei wurden noch die Griffarmaturen und alle weiteren
Aluminiumteile aufpoliert. Als sinnvolles Sonderzubehör habe ich mir
zwei Packtaschen gekauft. So ist es kein Problem, eine Flasche Zweitaktöl
zum Selbstmischen dabei zu haben, denn Mofa - Zapfsäulen sind inzwischen
nicht nur teuer, sondern auch selten !
Beim Wechseln des Kettensatzes stellte ich dann fest,
das das Ritzel auf Welle drehte. Die Innenbohrung vom Ritzel war ausgeschlagen.
Da liegen also z.B. die Qualitätsunterschiede von Original- und Nachbauteilen.
Zum Glück war die Welle gut gehärtet und noch in Ordnung. Weiterhin
stellte sich heraus, das die originale 6 Volt 35 Watt Birne im Hauptscheinwerfer
sofort durchbrennt. Eine 12 Volt 35 Watt Birne hat immerhin eine Lebensdauer
von etwa einem Tag. Deswegen hab ich probeweise einen Scheinwerfereinsatz
aus einer Honda Rebell mit 12 Volt H4 Birne eingebaut - diese Kombination
läuft bis heute problemlos und das Licht ist sehr gut. Die hinteren
Birnchen verabschieden sich aber immer noch reihenweise. |
|
So war die TM von Juni bis November 2001 im Dauereinsatz.
Fast jeden Werktag wurde sie zwischen 32 und 64 km bewegt, um zur Schule
zu kommen und auch nach Feierabend oder am Wochenende war ich sehr viel
unterwegs. Sie soll ja auch als Dauertestfahrzeug dienen.
Die Haupterfahrung bisher ist jedenfalls, das sich
die TM hervorragend zum täglichen Einsatz eignet. Ausser den normalen
Wartungsdiensten, mit Ölwechsel, Kettenfett und ab und zu einer neuen
Zündkerze war bisher eigentlich nichts ungewöhnliches ´dran
zu machen. Im Herbst hab ich mal aus reiner Neugierde den Zylinder runtergenommen:
der Motor sieht innen bestens aus. Bei der Gelegenheit habe ich natürlich
die Kolbenringe und die Dichtungen erneuert. |
|
Das Kerzenbild ist immer sehr gut, und auch im Auspuff
sind kaum Ablagerungen. Ich hab schon manchmal das Gefühl, das die
TM etwas zu mager läuft. Der Benzinverbrauch pendelt sich bei etwa
4 Liter Gemisch auf 100 km ein.
Seit dem Frühjahr 2002 läuft die Kreidler
Florett TM als reine Spassmaschine. Touren von 100 - 200 km am Sonntag
nachmittag sind kein Problem. Die eine oder andere Ausfahrt mit den Hamburger
Freunden wurde mitgemacht. Wenn ich mal weiter weg fahren möchte und
keine Lust auf die lange Anfahrt habe, lade ich die TM einfach in den Ford
Kastenwagen, fahre zu einem netten Ausgangspunkt und drehe von dort eine
Runde. Man könnte fast meinen, dass mich die fast täglich TM
begleitet.
Rechts im Bild unser "Stammtisch" vor Schloss Gottorf
beim Start zur Ausfahrt zum Motorrad Museum von Walter Thede in der Nähe
von Heide. |
|
|
Im Mai sollte ich für eine Bekannte einen Sattelzug
vom Bodensee abholen. Wenn ich geahnt hätte, das die ganze Geschichte
dort ins Wasser fällt und ich ein paar Tage bei bestem Wetter müßig
am Bodensee verbringen muss, hätte ich die Kreidler natürlich
mitgenommen. So gings im Auto um den See.
Aber bei der nächsten Tour war ich schlauer. Seit
Mitte September mache ich eine Fortbildung. Die erste Woche war ich in
Mayen bei Koblenz und hatte natürlich die Kreidler im "Gepäck".
Nach Feierabend konnte ich schöne Touren durch die Vulkaneifel machen.
Natürlich ging es auch zum Nürburgring. Auf den Ring selbst natürlich
nicht, mit 80 km/h zwischen den ganzen Tieffliegern, darauf hatte ich keine
Lust. Aber ich bin einmal außen um die Alte Nordschleife ´rumgefahren
und war natürlich auf der Burg. |
|
|
|
Die neben mir parkenden anderen Motorradfreaks haben
doch teilweise ihre Mienen verzogen. Ein Mopedle am Nürburgring ?
Das "Klacks" Ernst Leverkus früher regelmäßig für
seine Testberichte in der "Motorrad" mit den schnellen 50ern um den Ring
gebraust ist, wissen die meisten Joghurtbechertreiber heute nicht mehr.
Das die Florett von der Literleistung und vom Drehzahlnieveau mit den meisten
"modernen" Konstruktionen mithalten kann, ahnen sie nicht ... |
|
So ging es also an einigen, sonnigen Nachmittagen
die Serpentinen in der Eifel ´rauf und runter. Hier merkt man natürlich
schon, das die 5,8 PS ordentlich zu kämpfen haben. Viele Steigungen
ging es nur im 3. oder 4. Gang hoch. Und die Haarnadelkurven bergab hab
ich vielleicht nicht immer in Ideallinie durchfahren - bin halt etwas aus
der Übung !
Aber eine lustige Begebenheit gabs dann trotzdem: einmal
(nein eigentlich sehr oft, aber dieses Mal konnte ich der Versuchung nicht
widerstehen) schaute mich eine alte trutzige Burgruine von einem Berg aus
verlockend an. Nachdem ich den etwas versteckten Weg zur Burg entdeckt
hatte und der alte Burgverwalter meinte, ich dürfe ruhig mal hochfahren,
ging es also den steilen Schotterweg bergan. Oben wurde ich mit einem herlichen
Ausblick über den Ort und das Tal belohnt. Aber bei der Abfahrt wurde
mir dann doch etwas mulmig, doch alles, was ich früher beim Trialfahren
gelernt hab, war doch nicht vergessen und die Kreidler ist ja sowieso "auf
allen Strassen zuhause" ! Mit dem Burgverwalter hatte ich dann noch
ein nettes Pläuschchen, er war früher selbst Rennen gefahren
... |
|
|
Die nächsten Wochen war ich dann in Michelstadt
im Odenwald. Hier hab ich mich einmal so gründlich verfahren (und
hatte keine Karte mit), daß ich mich plötzlich am Neckar wiederfand.
Denn umkehren wollte ich auch nicht. Es ging also Berge rauf, Berge runter,
immer schön im Serpentinen. Das ganze wurde dann doch eine längere
Tour als geplant, hat einen Heidenspass gemacht, war von der Strecke traumhaft
schön, aber als ich dann abends in der Pension ankam, war ich doch
ziemlich geschafft.
|
Fortsetzung folgt |